Das Siris-Project unter der Leitung von Dr. Annarita Doronzio zielt auf die umfassende Erforschung der antiken griechischen Siedlung Siris-Herakleia an der Südküste Italiens ab. Diese liegt am Golf von Tarent nahe der modernen Stadt Policoro. Siris-Herakleia erweist sich als besonders geeignete Fallstudie für die Rekonstruktion der Gründung und Entwicklung einer griechischen Kolonie, sowohl auf Basis der literarischen Überlieferung als auch einzelner archäologischer Befunde. Die Frühphase der Besiedelung steht im Fokus des Projekts, dessen erste Kampagne vom 21.07.2025 bis zum 18.08.2025 stattgefunden hat.
Luftaufnahme von Park & Museum,
Parco archeologico di Herakleia
Quellheiligtum der Demeter, E. Tolksdorff
Ein Bereich welcher im Fokus der ersten Grabungskampagne steht, ist das im Valle Mediana gelegene Quellheiligtum von Siris-Herakleia, welches in der Literatur als Demeterheiligtum bekannt ist und dessen architektonische Überreste hauptsächlich aus der klassisch/hellenistischen Zeit stammen. Durch Votivlegungen und vereinzelte Architekturreste ist jedoch die Aktivität im Heiligtum bis in die Archaische Zeit nachweisbar. Ziel der diesjährigen Kampagne ist es u.a. den Charakter des Heiligtums zur archaischen Zeit eingehender zu untersuchen.
Archaische Lehmziegelmauer (rechts im Bild), E. Tolksdorff
Ein weiterer Schwerpunkt der diesjährigen Grabungen sind die Archaischen Befestigungsanlagen von Siris, dessen Überreste sich an mehreren Stellen im Stadtgebiet erhalten haben. Insbesondere schliessen sich die Grabungsaktivitäten an einen bereits freigelegten Bereich der Befestigungsanlage am Südhang des nördlichen Stadthügels, um den Verlauf und die Beschaffenheit der Frühen Stadtmauern besser nachvollziehen zu können.
Position der beiden vorgesehenen Schnitte mit Darstellung des archäologischen Befunds auf dem LiDAR der RSDI Basilicata, M. Voit
Vorläufige Ergebnisse der Grabungskampagne 2025
Areal Spring Sanctuary East (SSE)
Lage der Schnitte im Bereich des Quellheiligtums
Im Bereich des östlichen Quellheiligtums wurden im Jahr 2025 zwei Schnitte angelegt (SSE 01 & 02), welche Details zur Ausdehnung, Datierung und Stratigraphie des sogenannten Ost-Temenos klären sollten. Der sogenannte Ost-Temenos ist ein Gebäude im östlichen Bereich des Heiligtums, welches aus Feldsteinmauern im Norden, Osten und Westen besteht und durch Grabungen in den 70er und 80er Jahren bisher in die späte Archaik datiert wurde (530 v. Chr. post quem).
Vollständiges Profil von SSE01
In SSE 01 konnte zwar nicht wie erwartet die Fortsetzung der ost Mauer des sogenannten Ost-Temenos gefunden werden, jedoch wurde stattdessen erstmals in diesem Areal ein vollständiges Profil der geologischen Schichten bis zum gewachsenen Fels freigelegt. Dieses vollständige Bild der geologischen Schichten im Bereich südlich des Ost-Temenos hilft nicht nur, die geologische Situation im Heiligtum besser zu verstehen, sondern zeigt auch erstmals eine natürliche Begrenzung des Heiligtums in diesem Bereich Richtung Süden auf.
SSE02 beim erreichen der ersten Schichten des Votivdepots
SSE 02 wurde in der nordöstlichen Ecke des Ost-Temenos angelegt, um die Stratigrafie und mögliche frühere Phasen des Bereichs zu erfassen. Die Arbeiten gestalteten sich als besonders schwierig, da sich die archäologischen Schichten größtenteils unterhalb der Wasserlinie der noch aktiven Quelle befanden. Dennoch ermöglichte der Fund einer Vorgängermauer, eines Votivdepots mit mehreren gut erhaltenen Gefäßen sowie einer qualitätsvollen Terrakotta-Statuette einer Göttin bedeutende Erkenntnisse zur Nutzung der Anlage in archaischer Zeit. Zugleich werfen die Funde neue Fragen auf, die in kommenden Kampagnen geklärt werden sollen.
Terrakotta-Statuette einer Göttin aus dem Votivdepot in SSE 02
Areal Collina South (CS)
Lage des Schnitts auf der südlichen Collina.
Das Hauptziel der CS-Grabenuntersuchung bestand darin, die Überreste einer archaischen Stadtmauer zu identifizieren und, wenn möglich, zu datieren. Ein Teil dieser Mauer war bereits 1978 von Dinu Adamesteanu freigelegt worden, jedoch nie vollständig veröffentlicht worden. Der Graben der Kampagne von 2025 befand sich einige Meter (ca. 7 m) südlich von Adamesteanus Ausgrabungsgebiet.
Profil durch die archaische Lehmziegelmauer
Während der Ausgrabungen im Jahr 2025 wurde eine horizontale Schicht aus Flusssteinen entdeckt. Über dieser Schicht wurden mehrere Fundstücke geborgen, die als ungebrannten Lehmziegel interpretiert werden konnten. Die allgemeine Ausrichtung und Höhe dieser Ablagerung entsprechen denen des von Adamesteanu identifizierten Bauwerks. Ob die Mauer selbst während der diesjährigen Kampagne tatsächlich erreicht wurde, kann noch nicht bestätigt werden. Es ist jedoch durchaus wahrscheinlich, dass die laufende Analyse der Ausgrabungsergebnisse zusammen mit zukünftigen Feldforschungen im Rahmen des SIRIS-Projekts zur Klärung dieser Frage beitragen wird.
Darüber hinaus wurde während der diesjährigen Kampagne ein Keramikfragment gefunden, das auf das Ende des 8. Jahrhunderts v. Chr. datiert werden kann. Dies ist der bislang früheste Fund auf der Akropolis von Siris, der mit der Mauer in Verbindung steht. Die Chronologie der Schicht, in der dieses Fragment entdeckt wurde, bleibt jedoch ungewiss, bis die Untersuchung des zugehörigen Materials abgeschlossen ist.
TeilnehmerInnen und Gäste der Kampagne vom 21.07.2025 - 18-08-2025 :