Jessica Bartz M.A.
Multivalenz urbaner Räume. Untersuchungen zu ephemeren Architekturen im Kontext der öffentlichen Spielegebung des republikanischen und frühkaiserzeitlichen Roms.
Das Promotionsvorhaben verfolgt das Ziel, ephemere und mobile Architekturen im öffentlichen Raum der Stadt Rom auf ihren historischen, funktionalen, urbanen und soziokulturellen Kontext hin zu untersuchen. Mit ephemeren Architekturen sind temporär gebaute Strukturen gemeint, die Räume organisierten sowie transformierten und damit Bewegungen und Handlungen beeinflussten, die vielfältige Funktionen in der Benutzung öffentlicher Räume erfüllen mussten sowie soziale Hierarchisierungen der römischen Gesellschaft visuell wahrnehmbar machten.
In der antiken Gesellschaft gab es unzählige zeitlich begrenzte Handlungen und Anlässe, seien es Märkte, Kultfeste, Rituale und Prozessionen, Triumphzüge, Empfänge, Gerichte oder Versammlungen, die flexibel nutzbare Architekturen bedürften Öffentliche Plätze waren keine statischen Räume, sondern waren erlebte und belebte Handlungsräume und wurden dementsprechend multifunktional genutzt. Der Bedarf an flexibel einsetzbaren Hilfsstrukturen bis hin zu eigenständigen Monumentalbauten war dementsprechend hoch. Die Arbeit soll daher zum Ziel haben, zusammenzustellen, welche Handlungen mit welchen temporären Architekturen verknüpft waren sowie wie sich die verschiedenen ephemeren Architekturen und die daran beteiligten Protagonisten (Erbauer und Nutzer) zueinander verhielten. Die Stadt Rom eignet sich dafür hervorragend als Untersuchungsraum. Denn aufgrund des in seinen Dimensionen außergewöhnlichen Charakters der Stadt sind die für die Untersuchung relevanten Gattungen (s.u.) äußerst vielfältig greifbar.
Ephemere und permanente Architekturen existierten stets nebeneinander, wobei sie sich in ihrer Bedeutung abwechselten, ja sogar miteinander konkurrierten. Während in der Forschung meist nur auf die greifbaren Strukturen permanenter Bauten rekurriert wurde, verspricht die Untersuchung der mobilen und ephemeren Architekturen ein wesentlich differenzierteres Verständnis des urbanen Raumes. Bisher existiert jedoch, erstaunlicherweise, keine eigenständige und detaillierte Untersuchung zu diesem Phänomen, möglicherweise liegt das in dem nicht unproblematischen archäologischen Nachweis begründet. Zum einen wurden öffentliche Räume von diesen Architekturen nur temporär bei bestimmten Ereignissen besetzt, zum anderen bestanden diese in der Regel aus Holz, einem Material, das ganz spezifische Erhaltungsbedingungen bedarf, die selten gegeben sind. Dadurch lassen sich insgesamt ephemere Strukturen in ihrer architektonischen Ausprägung kaum greifen. Entsprechend muss man sich alternativen Nachweismöglichkeiten bedienen, welche aus Präparationen in Steinarchitekturen und Pflasterungen für temporäre Einrichtungen, Reflexen in verschiedenen bildlichen Medien (wie Reliefs, Wand- oder Vasenmalereien, Münzdarstellungen etc.) sowie epigraphischen und literarischen Quellen bestehen. Die angestrebte Kombination der Analyse der verschiedenen altertumswissenschaftlichen Gattungen verleiht dem Dissertationsvorhaben deshalb einen wichtigen interdisziplinären Ansatz.
Ferner sollen auch Ausgriffe in andere kulturelle Bereiche, Zeithorizonte und Forschungsdisziplinen helfen, die Komplexität ephemerer Architekturen in öffentlichen Räumen zu erfassen und im Hinblick auf die Phänomene innerhalb der Stadt Rom methodisch zu beleuchten. Aktuelle architektursoziologische Ansätze sollen ebenso Eingang in die Arbeit finden, wobei etwa Fragen nach der Reziprozität von temporären Architekturen in urbanen Räumen mit ihren Akteuren erfasst werden sollen, zumal zahlreiche moderne Bedürfnisse an urbanen Räumen mit den antiken Bedürfnissen abgeglichen werden können. Der Einsatz digitaler Rekonstruktionen von verschiedenen relevanten Befunden, welche auf ihre Funktionalität und Wirkung hin am virtuellen Modell untersucht werden sollen, verleiht der Arbeit zusätzlich einen stark experimentellen Aspekt. Auch bereits vergangene archäologische Fragestellungen sollen mit diesen neuen methodischen Herangehensweisen nochmals überprüft und ggf. nachjustiert werden.
Die in der Arbeit angestrebten theoretischen Überlegungen, zusammengestellten Ergebnisse und rekonstruierten Vorschläge zur funktionalen Bestimmung und Ausprägung ephemerer Architekturen sind zwar auf den urbanen Raum Roms als topographische Einschränkung begrenzt, lassen sich aber perspektivisch problemlos auf unterschiedlichste archäologische Befunde sowohl in diachroner als auch topographischer Hinsicht beziehen, wodurch das Forschungsvorhaben einen allgemeingültigen Charakter bekommen wird.
Betreut wird die Arbeit von Prof. Dr. Susanne Muth und Prof. Dr. Johannes Lipps (Mainz).