Materielle Kultur und Archäologie
Als materielle Kultur bezeichnen wir Dinge, die von einer menschlichen Gemeinschaft bzw. Gesellschaft hervorgebracht, mit Sinn versehen und verwendet werden. Sie speichern Informationen, besitzen fast immer einen spezifischen Zweck und bilden Vorstellungen, Bedürfnisse sowie Werte derjenigen ab, die sie entworfen oder hergestellt haben. Viele dieser Dinge „erzählen Geschichten“, z. B. von Personen, Ereignissen oder dem, was den jeweiligen Menschen wichtig war. In anderen Dingen werden Botschaften verschlüsselt, so dass bestimmte Vorkenntnisse oder Fähigkeiten erforderlich sind, um die ihnen zugewiesene Bedeutung „lesen“ und verstehen zu können.
Die antiken Gesellschaften Nordostafrikas haben eine Reihe von Dingen hinterlassen, mit deren Formen, Bedeutungen und Funktionen wir uns wissenschaftlich auseinandersetzen. Dazu gehören neben Bauwerken vor allem Bilder und Objekte, die im Alltag Verwendung fanden oder ein Bestandteil der Grabausstattung sowie der rituellen Praxis waren. Neben Tempeln, Palästen und Gräbern sind dies Statuen, Reliefs und Malereien, aber auch Artefakte aus vielen weiteren sogenannten Objektgruppen, wie z. B. Särge und Sarkophage, Utensilien aus dem Bereich der Mumifizierung und Bestattung, Stelen, Geräte, Werkzeuge, Schmuck, Keramik und vieles mehr. Die Objekte sind oft mit Inschriften ausgestattet; die materielle und die schriftliche Komponente werden grundsätzlich als funktionale Einheit verstanden und daher als solche behandelt.
Um der Vielzahl an Möglichkeiten und Aufgaben, die sich mit dem Thema Materielle Kultur stellen, gerecht zu werden, verfolgen wir in der Lehre drei konkrete Ziele, die auf der Basis interaktiver, die Studierenden früh in die wissenschaftliche Praxis einbeziehender Unterrichtsmodelle umgesetzt werden:
1.) Die Vermittlung theoretischer, methodischer und empirischer Inhalte anhand ausgewählter Themenbereiche zur materiellen Kultur, v. a. Ägyptens und des Sudans: In den Lehrveranstaltungen werden bestimmte Epochen oder Regionen behandelt (z. B. Materielle Kultur der Amarnazeit, Tempel des Mittleren Reiches, Meroitische Epoche des Reichs von Kusch etc.), wird ein Überblick über spezielle Bereiche der materiellen Kultur oder einzelne Objektgattungen gegeben (z. B. Ägyptische Kunst, Mumifizierung und funeräre Kultur, Graffiti und Felskunst etc.) oder Übungen an Originalen durchgeführt (z. B. in Berlin, Hildesheim; zudem werden Exkursionen in den Sudan, nach Ägypten und in internationale Museen angeboten).
2.) Die archäologische Ausbildung: Über Einführungsveranstaltungen zur archäologischen Theorie und Methodik, Archäometrie, praktische Übungen wie archäologisches Zeichnen etc. wird eine Basis für die feld-/archäologische Arbeit gelegt. Fortgeschrittenen Studierenden können wir Praktika im grabungsarchäologischen Bereich vermitteln. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, sich in unterschiedlichen Bereichen unserer archäologischen Forschungsprojekte zu engagieren.
3.) Der Ausbau von Kompetenzen auf den Gebieten Ägyptologische und Sudanarchäologische Museums- und Archivarbeit, Museologie und Museumsdidaktik: Dazu werden regelmäßig praxisorientierte Lehrveranstaltungen und Workshops in bzw. in Zusammenarbeit mit der Sudanarchäologischen Sammlung der HU, dem Ägyptischen Museum und Papyrussammlung Berlin sowie dem Roemer- und Pelizaeus-Museum Hildesheim durchgeführt, die vor allem den unmittelbaren Umgang mit den Objekten im Museum vertiefen sollen (z. B. Datierung und Bestimmung von Originalen mit spezialisierten KollegInnen, Publikation von Museumsobjekten, Besuch von Restaurierungswerkstätten, Projekttage „Museumsarbeit“ etc.).
In der Forschung konzentrieren wir uns derzeit geografisch auf Ägypten und den Sudan (s. dazu unter Forschung). Neben den feldarchäologischen Tätigkeiten in der langjährigen Konzession der HU in Musawwarat es-Sufra im Sudan arbeiten wir seit 2017 gemeinsam mit dem RPM Hildesheim in Pi-Ramesse in Ägypten. Als eine unserer interessantesten aktuellen Aufgaben betrachten wir zudem die Neuaufstellung der Sudanarchäologischen Sammlung und die Aufarbeitung des begleitenden Archivs. Ein fester Bestandteil unserer Arbeit ist die Förderung der Zusammenarbeit und des Austausches des wissenschaftlichen Nachwuchses. Dazu veranstalten wir jedes Jahr einen dreitägigen Workshop zu wechselnden kulturwissenschaftlich geprägten Fragestellungen, dessen Ergebnisse in der Reihe „BAJA“ publiziert werden.