Sudanarchäologische Sammlung & Archiv: Geschichte
In den späten 1950er Jahren nahmen Wissenschaftler der Humboldt-Universität archäologische Arbeiten im Sudan auf. Unter der Leitung des damaligen Ordinarius für Ägyptologie, Fritz Hintze, wurde im Frühjahr 1958 die Butana-Expedition durchgeführt. Im Rahmen dieser ersten Expedition der DDR zu archäologischen Orten im jungen Staat Sudan wurden wichtige Stätten des Königreichs von Kusch in der ‚Insel von Meroe‘, wie Musawwarat, Naga und Meroe, besucht und mit Hilfe neuer technischer Möglichkeiten und wissenschaftlicher Fragestellungen beschrieben. Eine umfangreiche fotografische, filmische, zeichnerische und schriftliche Dokumentation sowie zahlreiche Latexabklatsche von heute oft weniger gut erhaltenen oder gar zerstörten Inschriften und Reliefs zeugen von den Arbeiten der Butana-Expedition (Abb 1). Die wissenschaftliche Dokumentation dieser Expedition bildete den Grundstock für das Sudanarchäologische Archiv der Humboldt-Universität.
Auf den Arbeiten der Butana-Expedition aufbauend, führte die Humboldt-Universität unter Fritz Hintze seit 1960 umfangreiche Grabungen in Musawwarat es-Sufra durch, einem Tal mit einem einzigartigen Ensemble an monumentalen Baustrukturen aus der Zeit des Königreichs von Kusch. Darunter befinden sich der älteste bekannte Tempel für den löwenköpfigen Gott Apedemak, der labyrinthartige Baukomplex der Großen Anlage mit seinen zahlreichen Tempeln, Räumen, Gängen und Höfen sowie das größte antike Wasserreservoir des Sudan, der Große Hafir. Zudem finden sich kleinere Tempel und Schreine im Tal von Musawwarat. Zusammen mit der geringen Zahl an nicht-sakralen Bauten und Friedhöfen weist dies darauf hin, dass Musawwarat wohl eine herausgehobene sakrale Funktion hatte und nicht wie der Nachbarort Naga permanent bewohnt war. Im Laufe von sieben Grabungskampagnen zwischen 1960 und 1968 wurden die Monumente im Tal von Musawwarat durch das Team der Humboldt-Universität untersucht. Abschließend wurde in den Jahren 1969 und 1970 der Apedemaktempel wieder aufgebaut, der bereits in der Antike eingestürzt war und dessen Reliefs im Boden hervorragend erhalten geblieben waren (Abb 2). Die Wiedererrichtung des Apedemaktempels hat dieses seltene Zeugnis der frühen meroitischen Architektur und Kunst nationalen und internationalen Besuchern zugänglich gemacht (Abb 3).
Aus den Grabungen der 1960er Jahre in Musawwarat stammt der überwiegende Teil der Objekte, die heute die Sudanarchäologische Sammlung der Humboldt-Universität bilden. Im Rahmen einer damals üblichen Fundteilung zwischen sudanesischer Altertümerverwaltung und Grabungsprojekt, die Unikate jedoch ausnahm, kamen bis 1975 zahlreiche Objekte nach Berlin. Diese bildeten den Grundstock der sudanarchäologischen Lehr- und Studiensammlung, die in einer Reihe von Ausstellungen auch bereits einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde. Nach langjähriger Magazinierung werden viele Objekte der Sudanarchäologischen Sammlung demnächst in ihrem neuen Ausstellungsraum im Westflügel des Hauptgebäudes der Humboldt-Universität für Lehre und Forschung und eine breitere Öffentlichkeit wieder zugänglich sein (Abb 4).
Text: Cornelia Kleinitz